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Caritas Kulmbach:Seit 1987: STM-Projekt intergriert straffällige Jugendliche in Gesellschaft

STM - Soziale Trainingsmaßnahmen wie z. B. ein Graffiti-Workshop: Damit integriert der Caritasverband Kulmbach straffällige Jugendliche.
Seit fast 40 Jahren unterhält die Caritas Kulmbach ein spezielles Integrationsprogramm für straffällige Jugendliche und Heranwachsende von 14 bis 21 Jahren.
Datum:
Veröffentlicht: 12.6.25
Von:
Enno-Jochen Zerbes

In enger Zusammenarbeit mit den Jugendämtern des Landkreises Kulmbach sowie der Stadt und dem Landkreis Bayreuth bietet der Caritasverband Kulmbach soziale Trainingsmaßnahmen (STM) an, um junge StraftäterInnen wieder in die Gesellschaft zu integrieren.

Aus der Sicht von Andrea Boujjia, geschäftsführende Vorständin des Caritasverbandes Kulmbach, sind die Integrationsmaßnahmen, die über dieses Programm bereitgestellt werden, ein ganz wichtiger Dienst an und für die Gesellschaft. „Nächstenliebe genau dort in die Tat umzusetzen, wo es nicht ganz so einfach ist, genau das zählt nun mal zum Selbstverständnis der Caritas.“ Als Sozialverband wolle man mit dem Programm für straffällig gewordene Jugendliche zeigen, dass man tatsächlich vor Ort da sei und die kommunalen Träger in der Wahrnehmung ihrer Aufgaben unterstütze. Der Auftrag der Kirche und ihrer Mitglieder, auch jenen Menschen zu helfen, die von der Gesellschaft nicht so positiv gesehen werden, werde hier ganz selbstverständlich umgesetzt.

„Jugendliche sind ja nicht von sich aus kriminell.“

Dass gerade junge Menschen auf die schiefe Bahn geraten, hat verschiedene Gründe. „Jugendliche sind ja nicht von sich aus kriminell“, sagt Boujjia. Meistens seien die Rahmenbedingungen, unter denen sie leben und aufwachsen, die Ursache dafür. „Das kann u. a. etwa an Mobbing in der Schule liegen oder dass sie im familiären Umfeld und im Elternhaus keine gute Sozialisation erfahren und z. B. nicht gefördert werden.“ Da erscheint dann eine „gesetzeswidrige Karriere“ oftmals als einfacherer Weg, der gleichzeitig auch den erlebten Mangel im Leben eines jungen Menschen zum Vorschein bringt, so Boujjia. Auch extremistisch motivierte Delikte, die laut des aktuellen Verfassungsschutzberichtes 2024 deutlich zugenommen haben, finden sich im Projekt der Caritas Kulmbach wieder. Dazu zählen u. a.  auch Rechtsverstäße mit rechtsnationalem Hintergrund. „Das merken wir ganz deutliche am Mindset der Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die die Gerichte im Laufe der letzten Jahre in unser Projekt geschickt haben."

Hohe Relevanz für „soziale Trainingsmaßnahmen“

Wie relevant die sozialen Trainingsmaßnahmen sind, zeigen auch die Zahlen: Durchschnittlich 30 Jugendliche nimmt die Caritas Kulmbach dabei pro Jahr in ihr Reintegrationsprogramm auf, in Spitzenzeiten sogar bis zu 50. Das sind insgesamt weit über 1.000 junge Menschen, die das Projekt durchlaufen haben. Eine hundertprozentige Reintegrationquote der Teilnehmenden sei allerdings illusorisch, sagt Boujjia. Ein Grund dafür: „Die gerichtlichen Verfahren dauern recht lange. Von der Tat bis zur Verurteilung vergeht schon mal ein Jahr.“ In dieser Zeit könne es sein, dass die Betroffenen entweder längst wieder straffällig geworden seien oder aber die Maßnahme aus verschiedenen Gründen gar nicht mehr benötigt werde. "So ist es z. B. durchaus auch schon vorgekommen, dass positive Veränderungen das Leben junger Menschen stabilisieren." Eine Reflektion dieser Zeitspanne sei aber in jedem Fall hilfreich.

Starke Erfolgsquote

Unter diesen Umständen erscheint die durchschnittliche Erfolgsquote, die Boujjia mit 50 Prozent angibt, objektiv als sehr starke Zahl. Das liege vor allem am sozialpädagogischen Fachpersonal der Caritas in Kulmbach, das die Reintegrationsmaßnahmen plant, mit Leben füllt und diese entweder in Einzel- oder Gruppenarbeit in die Tat umsetzt. Insgesamt kümmern sich drei Mitarbeitende um die Projektadministration, darunter zwei Sozialpädagoginnen sowie ein psychosozialer Berater, der auch ausgebildeter Anti-Gewalt-Coach ist.  Sie managen die einzelnen reintegrativen Trainingsmaßnahmen. Dazu zählen die Betreuungsweisung, die Gesprächsweisung, der soziale Trainingskurs und der Täter-Opfer-Ausgleich.

Zukunft bereitet Sorgen

Unterstützt wird das Projekt durch die Jugendämter des Landkreises Kulmbach sowie die Stadt und den Landkreis Bayreuth mit maximal jeweils 30.000 Euro. „Wie hoch letzten Endes die Förderung konkret ausfällt, das entscheidet sich nach der Inanspruchnahme der Maßnahme, also der Anzahl der zugewiesenen Teilnehmer." Die Weisungen werden von den Gerichten angeordnet, Kostenträger seien aber die Kommunen, erklärt Boujjia.

Diese dem Caritasverband zugedachte Gelder werden auch zur Projektfinanzierung eingesetzt. Hinzu kommen die von der Caritas selbst aufgebrachten Eigenmittel von bis zu 40.000 Euro. Weil aber auch an der Caritas in Kulmbach die allgemeinen Kosten- und Preissteigerungen nicht spurlos vorbeigegangen sind, blickt Boujjia mit einigen Sorgenfalten in die Zukunft. „Wir prüfen gerade, inwieweit wir uns dieses Projekt überhaupt noch leisten können“, sagt die Kulmbacher Caritas-Chefin.

Prävention lohnt sich immer

Denn: Auch in den kommunalen Haushalten ist der Kostendruck hoch. „Maßnahmen der Prävention müssen dennoch ihren Platz behalten, besonders wenn es um Jugendliche und deren Zukunft geht“, appelliert Boujjia an die politischen Entscheidungsträger. Dafür Geld aufzubringen, lohne sich immer. „Der Eigenanteil, den wir in dieses Projekt investieren, wurde in den letzten Jahren konstant größer.“ Aber: Gleichzeitig bleibe der Betrag, mit welchem die Caritas von ihren Partnern unterstützt werde, mehr oder weniger gleich. „Hier befinden wir uns im Gespräch mit unseren Partnern und diskutieren derzeit mögliche Zukunfstszenarien.“

Schwarze Null halten?

Vor diesem Hintergrund die „schwarze Null“ zu halten, sei grundsätzlich sehr schwierig, so Boujjia. „Wir hoffen sehr, dass das Projekt, bei dem wir ja öffentliche Aufgaben übernehmen, die eigentlich im Zuständigkeitsbereich der Kommunen liegen, nach nunmehr 38 Jahren aus finanziellen Gründen nicht gekippt werden muss. Das wäre sehr schade. Denn dass es ein gutes, sinnvolles und vor allem nachhaltiges soziales Projekt ist, das straffällige Jugendliche erfolgreich reintegriert, das haben wir in dieser langen Zeit mehrfach bewiesen.“