Onlinezugangsgesetz: Caritas fürchtet digitale Ausgrenzung

Gespräch mit Staatsekretärin Anette Kramme in Bayreuth
Das Treffen fand beim Caritasverband Bayreuth statt und drehte sich zuerst um die Probleme der Teilhabe an der digitalen Welt.
Die Caritas treibt die Befürchtung um, dass ganze Bevölkerungsgruppen ausgeschlossen werden. „Die Menschen benötigen nicht nur Geräte, sondern auch Unterstützung, da Wissen fehlt“, sagte Ruth Domide von der Allgemeinen Sozialen Beratung der Caritas Bayreuth. Sie berichtete von Hartz IV-Beziehern, denen ein Drucker gestellt wurde, den sie aber nicht einrichten können. Dadurch konnten die Kinder dann nicht im Homeschooling ihre Aufgaben ausdrucken.
Die Caritas sieht hier noch weitere Benachteiligte: Bewohner des ländlichen Raums, die kein schnelles Internet haben; Geflüchtete in Gemeinschaftsunterkünften ohne WLAN; Wohnungslose; Menschen mit einer Sehschwäche oder einer geistigen Behinderung. Kundmüller dazu: „Es geht um Zugänge.“ Sie forderte, dass Anträge auf Sozialleistungen oder bei Behörden nicht komplett auf online umgestellt werden. Analoge Möglichkeiten müssten erhalten bleiben. Zudem seien die Formulare oft zu kompliziert.
Anette Kramme nahm für die Bundesregierung in Anspruch, die ALG II-Antragstellung bereits vereinfacht zu haben. Zudem gebe es für die Kinder inzwischen Lernförderung nicht mehr nur dann, wenn die Versetzung gefährdet sei. Sie räumte ein: „Die Inanspruchnahme des Teilhabepakets ist unzureichend.“ Allerdings fände sie zusätzlichen Unterricht in den Schulen grundsätzlich sinnvoller als Nachhilfe.
Als weiteres Anliegen benannte Kundmüller, dass den Beziehern staatlicher Leistungen die Anschaffung nachhaltiger, energieeffizienter Haushaltsgeräte ermöglicht wird. Der Kauf sparsamer Kühlschränke oder Waschmaschinen sei einkommensschwachen Haushalten nicht möglich. Nun drohten ihnen wegen der steigenden Energiepreise hohe Nachzahlungen und Mehrkosten. Kundmüller schlug daher einmalige Zuschüsse für den Kauf „weißer Ware“ vor.
Dafür machte die Bundestagsabgeordnete jedoch keine Hoffnung. Die Forderung sei im Koalitionsvertrag nicht durchzusetzen gewesen, da sie hohe Ausgaben auslösen würde. Auch die Umwandlung des ALG II in ein Bürgergeld werde da keine Verbesserungen bringen: „Eine drastische Erhöhung der Regelsätze wird finanziell nicht möglich sein.“ Was aber komme: ein Vertrauensvorschuss für die Leistungsempfänger, nicht gleich Sanktionen, stärkere Schonung des Vermögens, nicht gleich Umzug in eine billigere Wohnung.
Natürlich wurde auch über die Geflüchteten aus der Ukraine angesprochen. Kramme betonte die Erleichterungen, die für diese Schutzsuchenden gelten. Dolores Longares-Bäumler von der Caritas Bayreuth befürchtet freilich, es könne zu Flüchtlingen 1. und 2. Klasse kommen, weil Asylsuchende anderer Herkunftsländer strenger behandelt werden.
Eine Differenz tat sich auf bei der Betreuung der Kinder. Die Staatssekretärin hält es für sinnvoll, dass die Kleinkinder möglichst rasch in Kindertagesstätten kommen. Die Caritas-Direktorin sieht diese jetzt schon überfüllt und wünscht die rasche Anerkennung ukrainischer Berufsabschlüsse, damit geflüchtete Erzieherinnen die Kinder selbst betreuen können.
Dieter Scholl, Vorstand der Caritas Bayreuth, mahnte, dass die Flüchtlingsberatung nicht in der Lage sei, die große Zahl jetzt neu hinzukommender Geflüchteter zu bewältigen. Die Kreis-Caritasverbände hätten nicht die Mittel, um den Eigenanteil für noch mehr Berater aufzubringen. Wenn eine Ausweitung gewünscht sei, müsse der Staat großzügiger finanzieren.
Anette Kramme schloss das Gespräch mit einem Lob an die Caritas: Sie mache vor Ort eine sehr gute Arbeit, auch in Bereichen wie Flüchtlings- oder Schuldnerberatung, aus denen sich andere Träger längst zurückgezogen hätten.