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"Obdachlose Menschen verlieren ihr Selbstwertgefühl"

Plakat Lesung Dominik Bloh
Datum:
Veröffentlicht: 8.2.21
Von:
Klaus-Stefan Krieger

Autorenlesung eröffnete am Gründungstag das 100-jährige Jubiläum des Diözesan-Caritasverbandes

Die mangelnde Körperhygiene: Für Dominik Bloh war dies das größte Problem während seiner Zeit als Obdachloser. „Wer sich immer dreckig fühlt, fühlt sich wie Dreck.“ Wer auf der Straße lebt, wird notwendiger Weise schmutzig. Die Kleidung bekommt Flecken, kann nicht regelmäßig gewechselt werden. Man schläft in ihr. Schweiß staut sich. Man entwickelt unangenehme Gerüche. „Man empfindet Scham. Das Selbstwertgefühl geht verloren“, berichtet Bloh. „Die Menschen gehen auf Distanz und die Obdachlosen isolieren sich. So driften die Welten auseinander.“

Dominik Bloh wurde mit 16 Jahren von seiner psychisch kranken Mutter vor die Tür gesetzt. Von da an lebte er in Hamburg auf der Straße. Er ging zwar weiter zur Schule, hatte aber keine Unterkunft. Die Nächte verbrachte er, indem er in Bussen und Bahnen quer durch die Stadt fuhr. Über die Zeit der Obdachlosigkeit hat Dominik Bloh ein Buch geschrieben. Aus ihm las er am gestrigen Sonntag – als Beitrag zum 100-jährigen Gründungstag des Caritasverbandes für die Erzdiözese Bamberg.

Dominik Bloh berichtete auch von dem Projekt Go Banyo, das er gegründet hat. In Hamburg gibt für rund 2.000 Obdachlose nur 20 Duschplätze – mit beschränkter Öffnungszeit, Warteliste, Eintritt, oft nur kaltem Wasser. Daher ließ „Go Banyo“ einen Bus so umbauen, dass er nun aus drei Badezimmern besteht. Der Bus fährt wechselnde Standorte an; dort können die Gäste kostenlos duschen und erhalten frische Wäsche.

Bloh tritt auch für das Konzept „Housing First“ ein. Es geht davon aus, dass ein Obdachloser als erstes wieder eine eigene Wohnung benötigt. Im Gegensatz zu Programmen, die über eine Abfolge verschiedener Wohnformen die „Wohnfähigkeit“ von Obdachlosen wiederherstellen wollen, sieht „Housing First“ eine stabile Unterkunft als Voraussetzung für die Bearbeitung aller anderen Probleme. Darauf basierende Angebote gibt es bereits z.B. in Finnland oder Österreich.

Peter Klein, Leiter des Bamberger Treffpunkts „Menschen in Not“, berichtete von einem neuen Projekt „Übergangswohnen plus“: Klienten der Beratungsstelle erhalten eine Wohnung der städtischen Wohnungsbaugesellschaft zunächst für ein Jahr. In ihr leben sie als Mieter in einem ganz normalen Umfeld. Zugleich werden sie von Sozialpädagogen begleitet. Nach einem Jahr wird der Mietvertrag entfristet.

Wegen der Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie musste die Autorenlesung als Videokonferenz stattfinden. Eine Aufzeichnung wird in Kürze auf der Jubiläumshomepage www.caritas100.de zur Verfügung stehen.

Am 7. Februar 1921 fand in Bamberg die Gründungsversammlung für den Caritasverband für die Erzdiözese Bamberg statt. Ziel war es, die bereits bestehenden karitativen Vereine besser zu vernetzen und bistumsweite Aktionen wie etwa Lebensmittelsammlungen durchzuführen. Ein Vorstand wurde am 18. Mai gewählt. Zum Vorsitzenden und Diözesan-Caritasdirektor ernannte Erzbischof Jacobus von Hauck Domkapitular Theodor Madlener. Anlass der Gründung war auch die anhaltende Not nach dem 1. Weltkrieg mit Armut, Unterernährung, erhöhter Säuglingssterblichkeit, vermehrter Anfälligkeit für Krankheiten. Von 1918 bis 1920 grassierte die „Spanische Grippe“ genannte Influenza-Pandemie. 1923 verursachte die Hyperinflation erneute Verarmung.

Der Caritasverband für die Erzdiözese Bamberg hat sein Jubiläumsjahr unter das Motto „Hinsehen. Handeln. Herzlichkeit.“ gestellt. Es wird begleitet von einer Reihe von Veranstaltungen, die an verschiedenen Orten in Ober- und Mittelfranken stattfinden. Alle Informationen zum Jubiläum finden sich auf der Homepage www.caritas100.de.

Das Buch von Dominik Bloh hat den Titel „Unter Palmen aus Stahl“ und ist im Ankerherz Verlag erschienen.