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Nur hier finden Flüchtlinge noch Hilfe

Migrationsberatung
Datum:
Veröffentlicht: 14.4.21
Von:
Klaus-Stefan Krieger

Beratung der Caritas wurde in Corona-Zeit zur einzigen Anlaufstelle

Eines Tages stand ein Mann am Fenster und wollte ein Schreiben übersetzt bekommen, das er nicht verstand. Als die Beraterin es las, stellte sich heraus, dass ihr Klient bereits seit zwei Tagen in Quarantäne sein sollte. Zweifellos ein Einzelfall, aber symptomatisch für die Probleme, mit denen die Flüchtlings- und Integrationsberatung (FIB) in der Corona-Pandemie fertig werden muss.

Denn schon der Ausweg, den andere Beratungsstellen der Caritas wählten, war bei der FIB nicht gangbar. "Onlineberatung war für uns nicht das Mittel der Wahl", sagt Heike Fuchs von der Flüchtlings- und Integrationsberatung des Caritasverbandes Bamberg-Forchheim. Abgesehen von den Sprachproblemen hätten die Klienten meist keine gut funktionierenden Endgeräte. "Das Guthaben des Handys ist schnell aufgebraucht und in den Asylunterkünften ist WLAN nicht vorhanden."

Die FIB-Sprechstunden in den Unterkünften sind seit März 2020 ausgesetzt. Die Hygienekonzepte und deren Umsetzung in den Unterkünften waren und sind zum Teil lückenhaft. Mehrfach gab es Corona-Fälle.

Die Beratungsstelle hatte selbst in Lockdown-Zeiten nie geschlossen. Was sich nicht am Telefon besprechen ließ, wurde weiter von Angesicht zu Angesicht geklärt. Zwar nur mit Termin und zwischen Tür und Angel und am Fenster im Erdgeschoss.

Diese "Halböffentlichkeit" sei auch für die Ratsuchenden eine Herausforderung gewesen, meint Werner Lorenz, der Leiter Soziale Dienste am Caritas-Standort Forchheim: "Wie verhalte ich mich, wenn ich beäugt werde." Generell mussten sie sehr diszipliniert sein. "Wir mussten auch dahingehend beraten, dass die Klienten sich den Corona-Regeln entsprechend verhalten: dass sie Maske tragen, Abstand halten."

"Die Menschen waren sehr dankbar, dass wir durchgehend beraten haben", berichtet Beate Zepf. Denn die Beratungsstelle entwickelte sich rasch zu einer "Schaltstelle". Die meisten Institutionen hatten und haben für den Publikumsverkehr geschlossen. Die Geflüchteten konnten also keine Termine in den Ämtern mehr wahrnehmen und nichts selbst klären. "Alles fiel auf uns zurück", berichtet Heike Fuchs. Telefonkontakte zu den Behörden liefen über die Beratungsstelle. Gelegentlich fragten diese auch bei den Beraterinnen nach, wenn sie Asylbewerber nicht mehr erreichen konnten, und baten darum, Kontakt herzustellen.

"Vor allem der Schriftverkehr funktioniert nur über uns", ergänzt Gabi Stingl. Viele Flüchtlinge seien mit Sprache und Ausdrucksweise der Formulare überfordert. Selbst bereits integrierte Migranten benötigten Hilfe, um mit der Bürokratie zurechtzukommen.

"Ohne uns wäre Chaos", sind die drei Beraterinnen überzeugt. Dabei geht es nicht nur um Behördenangelegenheiten wie die Beantragung von ALG II oder die Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung. Konfrontiert sind die Beraterinnen zudem mit den seelischen Problemen der Flüchtlinge.

"Es herrscht Frustration", sagt Gabi Stingl. Viele Geflüchtete haben ihre Arbeit verloren. Gerade diejenigen, die bei Zeitarbeitsfirmen beschäftigt waren, seien gekündigt worden. Arbeit zu finden, sei nahezu unmöglich.

Belastend sind die sehr beengten Verhältnisse in den Unterkünften oder in Wohnungen, in denen Großfamilien mit vier bis sechs Kindern leben. Die Kinder können sich nicht zurückziehen, aber auch nicht hinausgehen, um sich mit Freunden zu treffen. Da Schule nicht in Präsenz stattfindet, gibt es auch keine Mittagsbetreuung und kein Schulessen. "Das geht an die Nerven."

Vor weitere Probleme stellt das Homeschooling. "Die Eltern können meist nicht helfen", sagt Beate Zepf. "Manche wissen gar nicht, was es bedeutet." Lehrer hätten in der Beratungsstelle angerufen, weil sie Kinder im Online-Unterricht vermissten.

"Durch Corona sind die Bildungslücken größer geworden", weiß auch Heike Fuchs. Und das gilt genauso für die Erwachsenen. Denn Sprachkurse wurden erstmal ausgesetzt, dann auf online umgestellt. Doch die Flüchtlinge müssen den Unterricht auf Handys mit kleinem Bildschirm ansehen und wissen nicht, wie sie ihre Aufgaben machen sollen. "Deutschkenntnisse gehen jetzt wieder verloren."

Die Zahl der Ratsuchenden - im vergangenen Jahr über 600 Personen - hat sich nicht verändert. Aber der Arbeitsaufwand hat sich stark vermehrt. "Denn die Flüchtlinge können mit ihren ganzen Problemen nirgends hingehen außer in unsere Beratungsstelle", sagt Gabi Stingl.

Und daran wird sich so schnell nichts ändern. Dass Ämter und Behörden für den Publikumsverkehr wieder öffnen, zeichnet sich noch nicht ab.