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Notversorgung so wichtig wie nie

Bahnhofsmission
Datum:
Veröffentlicht: 20.4.21
Von:
Annette Bieber/Dr. Klaus-Stefan Krieger

Auch die Nürnberger Bahnhofsmissionen registriert deutlich mehr Armut

Eine (warme) Mahlzeit, Tee und Kaffee, Alltagsmasken oder Winterbekleidung – im Pandemiejahr 2020 fehlte es den Gästen der bayerischen Bahnhofsmissionen an vielem zum Leben. „Die Not war deutlich spürbar und ist es immer noch“, so Hedwig Gappa-Langer und Harald Keiser von der Arbeitsgemeinschaft der kirchlichen Bahnhofsmissionen in Bayern. Noch nie zuvor leisteten die größtenteils ökumenisch getragenen Hilfeeinrichtungen so oft materielle Hilfen wie 2020.

Allein in Nürnberg registrierten die Verantwortlichen im Jahr 2020 rund 13 700 Kontakte. Das waren vor allem Beratungen, Krisenintervention und seelsorgerische Gespräche. Dabei wurde in 8.500 Fällen materielle Hilfe geleistet, etwa Lebensmittel oder Kleidung ausgegeben. Sie verzeichnete eine Steigerung um rund 40 Prozent von 2019 auf 2020. Zugenommen hat auch die Vermittlung von Übernachtungen. Darüber hinaus hatten die Nürnberger Mitarbeitenden 10.400 "kleinere Kontakte" wie Auskünfte und kurze Gespräche. Träger der Nürnberger Bahnhofsmission sind IN VIA Nürnberg, ein Fachverband der Caritas, und die evangelische Stadtmission Nürnberg.

Ähnlich gestaltete sich die Situation in den anderen Bahnhofsmissionen in Bayern. Die Ausgabe von materiellen Hilfen ist um fast ein Viertel von knapp 43 000 auf 53 000 gestiegen, obwohl die Anzahl ihrer Kontakte um rund 20 Prozent gesunken ist – nicht zuletzt auch durch den Wegfall vieler Reisehilfen. „Die Armut wächst überall“, so Gappa-Langer, zuständige Referentin beim Caritas-Fachverband IN VIA Bayern e.V.. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Harald Keiser von der Diakonie Bayern hat sie die Zahlen für 2020 ausgewertet und festgestellt: „Obwohl die meisten Bahnhofsmissionen coronabedingt ihr Angebot, Aufenthaltsmöglichkeiten und Öffnungszeiten zurückfahren mussten, sind deutlich mehr arme, kranke und obdachlose Menschen gekommen, deren ohnehin prekäre Lebenssituation sich weiter verschärft hat.“ Alle 13 bayerischen Bahnhofsmissionen zusammen leisteten 2020 knapp 539 000 Mal Hilfe.

Kontaktbeschränkungen und Hygienevorschriften haben die Arbeit der Bahnhofsmissionen vor Ort verändert. „Das Wichtigste an der Bahnhofsmissionsarbeit ist eigentlich der Austausch, ein offenes Ohr zu haben und für die Menschen da zu sein", so Gappa-Langer, „hinter Plexiglasscheiben und Masken ist das sehr schwierig.“ Die 2020 größtenteils geschlossenen Aufenthaltsräume fehlten den Gästen als Ort zum Ausruhen und zur Kontaktaufnahme. Stattdessen war die Versorgung der Hilfesuchenden an extra geschützten Ausgabefenstern in den Vordergrund gerückt. Mitarbeitenden wie Klienten machte diese „Hilfe auf Abstand“ zu schaffen. Denn Bahnhofsmission ist eigentlich viel mehr als eine Einrichtung zur Notversorgung. „Die Mitarbeitenden hoffen sehr, dass sich die Situation in den nächsten Monaten entspannt“, betont Gappa-Langer, „es ist wichtig, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen.“ So könnten auch möglichst früh konkrete Notlagen erkannt und die Menschen gezielt an Facheinrichtungen und -beratungsstellen weitervermittelt werden. Beispielsweise wenn der Schuldenberg wächst, eine Wohnungskündigung bevorsteht oder bei ähnlichen Problemen.

Eine große Welle der Solidarität hat den Bahnhofsmissionen durch die Krise geholfen. "Wir sind den zahlreichen Spenderinnen und Spendern sehr dankbar“, so Keiser, „nur so konnten die Einrichtungen vor Ort den gestiegenen Anforderungen gerecht werden und die Not der Hilfesuchenden lindern.“