Caritas Erlangen:Mit Arbeitstherapie, Beratung und persönlicher Betreuung psychische Erkrankungen therapieren

In der Bevölkerung repräsentieren seelische Krisen heute eher die Norm als die Ausnahme. Deshalb ist es auch keineswegs überraschend, dass psychische Erkrankungen bei Jung und Alt mittlerweile zu den zweithäufigsten Gründen für Krankschreibungen zählen. Das zeigen Untersuchungen verschiedener Krankenkassen. Unterstützung, Beratung und Hilfe sind deshalb ganz besonders gefragt.
Dass ausgerechnet die Caritas in Erlangen diesen akuten Bedarf mit konkreten Angeboten deckt, liegt nahe. Hintergrund: Die Stadt gilt als eine Anlaufstelle für Menschen mit psychischen Erkrankungen. „Hier gibt es mit der Bezirks- sowie der Uniklinik gleich zwei medizinischen Zentren, die einen Schwerpunkt auf psychische Krankheitsbilder legen“, sagt Andreas Fellmoser. Er leitet die Tagestätte Treff und die Caritec, die beide zur Caritas regio gGmbH gehören. „Gesucht sind Therapieplätze, wo sich diese Menschen etwa nach dem Klinikaufenthalt stabilisieren können. Und da kommen dann wir in Spiel“, erklärt der 62-jährige Sozialpädagoge. In Erlangen herrsche deshalb ein großer Wettbewerb um potentielle Klienten. „Die Stadt ist in dieser Hinsicht sehr gut versorgt“, so Fellmoser.
Gut vernetzt und erfolgreich
Um vor diesem Hintergrund erfolgreich zu sein, muss Fellmoser gut vernetzt sein. „Ich versuche so oft wie möglich mit den Schnittstellen des Systems zu kommunizieren.“ Deshalb suche er das Gespräch mit gesetzlichen Betreuern, mit Kliniken und soziale Diensten und er begleite manchmal sogar seine Klienten bei deren Arztbesuchen, um sich direkt und persönlich auszutauschen und Ärztinnen und Ärzten von den Vorteilen seiner Einrichtungen zu überzeugen. Weiterer Aspekt: Highlights. „Wir betreiben mit Caritec und Treff einen hohen Aufwand, um ein möglichst abwechslungsreiches Programm für die Klienten auf die Beine zu stellen. Neben der Arbeitstherapie erhöhen eben Highlights wie Ausflüge, Grillfeste, gemeinsames Kochen, Kinobesuche oder wie zuletzt ein Besuch der Bergkirchweih die Attraktivität. Und damit können wir sowohl bei den Klienten als auch im Wettbewerb mit anderen Anbietern punkten.“
Fellmoser ist mit dieser Strategie sehr erfolgreich. Insgesamt gut 30 Klienten kommen regelmäßig in den Treff und zur Caritec. Durch den Besuch der Tagestätte geben sie ihrem Tag wieder eine Struktur. Morgens aufstehen, sich zu waschen, zu kämmen und sich dann noch auf den Weg in die Tagestätte zu machen, sei gerade für psychisch Kranke eine riesengroße Herausforderung.
Softer Wiedereinstieg vs. Arbeitstherapie
Während der Treff durch Gruppen- und Freizeitangebote, durch Gemeinschaft und durch persönliche Betreuung sozusagen den „softeren“ Wiedereinstieg in den strukturierten Alltag ermöglicht, geht Caritec einen Schritt weiter: Über die Methode der Arbeitstherapie entdecken psychisch erkrankte Menschen ihr Leistungsvermögen und ihre Kreativität neu, woraus wiederum Selbstvertrauen entsteht. Auf dieser Basis gehen die Klienten dann den nächsten Schritt an.
„Ziel der Arbeitstherapie ist es, psychisch erkrankte Menschen wieder an einen geregelten Arbeitstag heranzuführen. Dazu zählt eben auch, dass auf sie tagtäglich ein Arbeitsplatz wartet.“ Idealerweise sollten die Klienten deshalb werktags von 9:00 Uhr bis 15:00 Uhr bei Caritec zur Arbeit erscheinen. „Die mentale Belastung ist also deutlich höher als in anderen Einrichtungen wie etwa dem Treff.“ Der Klient müsse dieses „Training,“ wie Fellmoser die Arbeitstherapie umschreibt, selber auch wirklich wollen. „Das schaffen aber nicht alle. Die meisten erreichen das Mindestarbeitspensum von drei Stunden, danach muss dann Abwechslung rein, z. B. beim gemeinsamen Kochen des Mittagessens.“ Bei Caritec führen die derzeit 15 Klienten leichte Tätigkeiten aus. Aktuell bauen sie einen Spielzeugbagger zusammen. Die Teile dazu liefert die Fürther Spielzeugfirma BRUDER regelmäßig an.
Chronifizierung vermeiden
Unter den Klienten befinden sich junge wie alte Menschen mit ganz unterschiedlichen Diagnosen. Dazu zählen etwa Psychosen, Depression, Schizophrenie, Persönlichkeitsstörungen wie z. B. Borderline, aber auch Traumatisierte, die etwa unter PTBS (posttraumatisches Belastungssyndrom) leiden. Letzteres verzeichnet gerade im Zusammenhang mit der Flüchtlingswelle sowie Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine einen spürbaren Zuwachs.
„Grundsätzlich bleiben uns gerade Ältere längerfristig erhalten. Sie gehen oftmals von hier aus direkt ins Altersheim. Die Jüngeren verlassen uns in der Regel nach einem Jahr wieder.“ Damit wolle man eine „Chronifzierung des Krankheitsbildes“ vermeiden. So nennt Fellmoser den Übergang einer psychischen Krankheit in einen dauerhaften Zustand. „Die Klienten sollten möglichst früh an weiterführenden Maßnahmen wie z. B. einem Praktikum teilnehmen. Dadurch werde die Integration in den Arbeitsmarkt unterstützt und der Prozess der Emanzipierung eingeleitet, an dessen Ende die Klienten in der Lage sind, ein vollständig selbstständiges Leben zu führen.“ Fellmoser ist jedoch klar, dass nicht alle Klienten dieses Ziel erreichen. „Das ist leider die Realität.“
Trotzdem ist Fellmoser von dem Programm, das die Caritas in Erlangen bietet, überzeugt. Deshalb entwickelt er das Programm auch ständig weiter. So soll der Treff künftig an den Caritec-Standort umziehen. „Durch die Zusammenlegung beider Einrichtungen realisieren wir zusätzliche Synergieeffekte und gewinnen an operativer Flexibilität“, erklärt Fellmoser. Aus seiner Sicht erhöhe diese Strategie die Attraktivität des Programms enorm.
Gustav-Kolb-Haus mit Minus
„Perspektivisch sollen auch die anderen sozialpsychiatrischen Angebote mehr und mehr mit Caritec und Treff verschmelzen“, blickt Pia Herrmann voraus. Sie leitet die psychiatrische Versorgungskette des Caritasverbandes Erlangen und behält die Zahlen sowie die Wirtschaftlichkeit der Einrichtungen und Angebote im Blick. „Bei den Tagestätten, der gerontopsychiatrischen Fachberatung für ältere Menschen und dem sozialpsychiatrischen Dienst bewegen wir uns da in einem absolut vernünftigen Bereich“, sagt die Controllerin. „Das Gustav-Kolb-Haus bereitet uns allerdings größere Sorgen.“ Hier liege die Caritas Erlangen mit einem substantiellen Betrag im Minus. Die Ursache: der Fachkräftemangel. Um eine lückenlose Betreuung zu gewährleisten, benötigt das Gustav-Kolb-Haus permanent eine Fachkraft für den Nachtdienst – die gesetzlichen Auflagen wollen es so. “Finden Sie heute mal jemanden, der als Fachkraft bereit ist, sich die Nacht um die Ohren zu schlagen“, so Herrmann. „Ohne dem Nachwuchs zu nahe treten zu wollen, bestenfalls bekommen sie junge Kräfte, frisch von der Uni und ohne jede Berufserfahrung.“ Die sei aber gerade in psychiatrischen Langzeiteinrichtungen wie dem Gustav-Kolb-Haus, wo der Kontakt mit den etwas anspruchsvolleren Fällen Usus sei, zwingend erforderlich. „Diese Menschen brauchen Führung und Empathie, Nähe und Distanz zugleich – und dies alles im richtigen Maß“, so Herrmann. Von einer unerfahrenen Kraft können man so etwas nicht erwarten. „Derzeit bleiben drei Stellen unbesetzt.“ Deshalb habe man sich dazu entschlossen, einen Aufnahmestopp auszusprechen. „Das Haus ist nicht voll belegt und diese Einnahmen fehlen uns natürlich.“ Und das sehe man dann am negativen Ergebnis, so Herrmann.
Priorität A für die Caritas in Erlangen und deren sozialpsychiatrisches Programm habe deshalb die Personalakquise für das Gustav-Kolb-Haus. Pia Herrmann blickt positiv in die Zukunft: „Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir bald zu uns passende Menschen finden, die sich dieser sinnvollen Aufgaben stellen und den Job aus Überzeugung antreten wollen.“
Interessenten auf Jobsuche können sich nach einer passenden Stelle bei der Caritas Erlangen hier umschauen.