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Caritas Bamberg mahnt soziale Schieflage bei Wohnraumsituation an

Michael Endres
Datum:
Veröffentlicht: 10.9.24
Von:
Enno-Jochen Zerbes
Am 11. September ist der Tag der Wohnungslosen. Immer mehr Menschen sind von akuter Wohnungsnot betroffen – auch in Ober- und Mittelfranken, sagt der Diözesan-Caritasverband Bamberg.

Am 11. September ist der Tag der Wohnungslosen. Der Aktionstag lenkt die Aufmerksamkeit auf eines der großen Schlüsselprobleme hierzulande: die sich dramatisch verschlechternde Wohnraumsituation. Sie stellt eine akute soziale Herausforderung dar, die dringendes Handeln erfordert. Denn immer mehr Menschen sind von akuter Wohnungsnot betroffen – auch in Ober- und Mittelfranken, sagt der Diözesan-Caritasverband Bamberg.

Deshalb appelliert Michael Endres, Geschäftsführer und Vorstandsvorsitzender des Caritasverbandes für die Erzdiözese Bamberg e. V., an die politischen Entscheidungsträger, die Wirtschaft, an Städte, Kommunen und Gemeinden, die Landratsämter sowie die Gesellschaft insgesamt, sich dieser Herausforderung endlich anzunehmen und konstruktive Lösungen zu entwickeln, „um schließlich gemeinsam die Lebensbedingungen der betroffenen Menschen nachhaltig zu verbessern.“

Denn auch in der Erzdiözese Bamberg, die sich über Oberfranken und Teile Mittelfrankens erstreckt, wirken sich steigende Mieten und die unzureichende Verfügbarkeit von bezahlbarem Wohnraum negativ auf die Lebenssituationen von Familien, Alleinerziehenden und Menschen mit niedrigem Einkommen aus. Die Folge: Ein kontinuierlich wachsender Anteil der Bevölkerung ist ganz konkret von Obdachlosigkeit bedroht oder muss in prekären Wohnverhältnissen leben.

Wohnungslosigkeit in der Erzdiözese stark gewachsen

Wie besorgniserregend die Lage ist, zeigt der Blick in die Region. Im Vorjahresvergleich meldete das Bayerische Landesamt für Statistik für 2023 alleine für Oberfranken einen dramatischen Anstieg um 47 Prozent bei registrierten Fällen von Wohnungslosigkeit, die zunächst in offiziellen Notunterkünften untergebracht werden. Insgesamt waren dort im vergangenen Jahr 1.595 Personen betroffen. 2022 waren es 1.085. Die Zahlen für Mittelfranken fallen nicht ganz so hoch aus, sprechen aber immer noch eine sehr deutliche Sprache. Mit Nürnberg als Metropole stieg in diesem Regierungsbezirk die Wohnungslosigkeit um 22 Prozent, von 5.810 (2022) auf 7.120 (2023). Jene wohnungslosen Menschen, die bei Freunden oder Familienangehörigen unterkommen, berücksichtigt diese Statistik allerdings nicht. Denn diese Gruppe lässt sich in der Regel nicht registrieren bzw. wird von der Statistik nicht erfasst. Die Dunkelziffer dürfte insofern deutlich größer sein.

Deutlich höhere Dunkelziffer

Davon geht auch der Caritasverband für die Erzdiözese Bamberg aus. „Aus den Beratungsstellen unserer Kreiscaritasverbände (KCV) wissen wir, dass dort oftmals mehrere hundert Menschen von Wohnungsnot betroffen sind“, sagt Endres. Und er nennt ein Bespiel: „Alleine im KCV Kronach hatten in den letzten zwei Jahren ca. 900 Menschen mit akuter Wohnungsnot zu kämpfen. Aktuell sind es immer noch 400, also fast ein Drittel der offiziellen Zahlen für ganz Oberfranken.“ Dazu zählen für Endres insbesondere einkommensschwache Familien, Alleinerziehende und Menschen mit sozialen Schwierigkeiten wie z. B. Verschuldung, Sucht, psychische Erkrankungen und familiären Problemen. Sie fänden oftmals keine adäquaten Wohnmöglichkeiten zu bezahlbaren Konditionen. Laut Endres umfasse die Zahl aus Kronach aber eben nicht nur registrierte Fälle von Wohnungslosigkeit. „Da sind auch Personen dabei, die bei Freunden, Familienangehörigen oder in nichtoffiziellen Behelfsunterkünften unterkommen und deshalb nicht in der Statistik auftauchen.“

Wohnungsnot ist soziale Realität

Bei Wohnungsnot wegzuschauen, sie zu verharmlosen oder gar totzuschweigen, sei jedoch keine Lösung, so Endres. „Wohnungsnot ist längst in unseren Kommunen angekommen, sie ist präsent und leider zu einer sozialen Realität geworden, die sich nicht mehr ignorieren lässt.“ Die Notwendigkeit für eine verstärkte Unterstützung sowie das Ergreifen von Maßnahmen im Bereich der Wohnraumversorgung sei dringender denn je. „Fachstellen für wohnungs- und obdachlose Menschen, die von den Kommunen finanziert werden und in diesen die Unterstützung und Koordination der Maßnahmen vornehmen, sind ein sehr richtiger und sehr wichtiger Ansatz für die betroffenen Menschen, sie lösen aber die soziale Schieflage nicht auf.“

Auch Sofortmaßnahmen sind gefragt

Ob Wohnungsnot oder Wohnungslosigkeit, es sei kein Geheimnis, beides wirke sich negativ auf die Gesundheit aus, ist Endres überzeugt. Betroffene wie z. B. sozial Benachteiligte, Schwache, bedürftige Kranke oder eben obdachlose Menschen fehle es aber auch an medizinischen und pflegerischen Leistungen. In diesem Sommer habe auch die Hitze vieler dieser Menschen zu schaffen gemacht. Und der nächste Winter stehe ebenfalls vor der Tür, mahnt Endres. Hier sei es Aufgabe der Kommunen, entsprechende Softortmaßnahmen zu ergreifen und ausreichend menschenwürdige Notunterkünfte sowie eine adäquate Versorgung zur Verfügung zu stellen, in denen auch Familien und Alleinerziehende unterkommen können. „Aber“, so Endres, „Kommunen, die über gut organisierte Hilfsmaßnahmen verfügen, können Nachbar-Gemeinden nicht automatisch mitversorgen und dürfen nicht überlastet werden.“

Caritas stemmt sich gegen akute Situation

Wie solche Hilfsmaßnahmen konkret aussehen können, das zeigt auch der Caritasverband für die Erzdiözese Bamberg. Gemeinsam mit anderen Wohlfahrtsverbänden setzt er sich bereits aktiv für Menschen ein, die von der Wohnraumproblematik betroffen sind. Über seine Träger bietet der Verband Beratung und Unterstützung bei der Wohnraumsicherung und Wohnungssuche. Er betreibt Notunterkünfte und Verpflegungsstellen, führt Projekte zur Prävention von Obdachlosigkeit durch und engagiert sich für die Schaffung von mehr sozialem Wohnungsbau. Wie das in der Praxis aussieht, zeigt sich wieder in Kronach. Der dortige KCV investierte in den letzten beiden Jahren etwa 80.000 Euro an Eigenmitteln in die Wohnraumberatung. Damit konnte er die anspannte Situation von ca. 450 wohnungslosen bzw. von Wohnungslosigkeit bedrohten Personen vor Ort lösen und sie davor bewahren, in die Obdachlosigkeit abzurutschen.

Wohnungsnot gemeinsam aus der Welt schaffen

Und dennoch: Wohlfahrtsverbände wie die Caritas seien nicht in der Lage, die wachsenden Herausforderungen alleine zu bewältigen, sagt Endres. „Deshalb muss es ein gesellschaftliches Anliegen sein, Probleme wie Wohnungsnot durch konzertierte Gegenmaßnahmen zu bekämpfen, um jedem Menschen ein sicheres Zuhause zu geben.“ Hier seien auch Staat und Politik gefordert. „Wir brauchen endlich Rahmenbedingungen, die das Wohnraumproblem nachhaltig lösen.“ Das was bisher geschehen ist, reiche definitiv nicht aus. „Wir sind jederzeit dazu bereit, uns an einen Tisch zu setzen, dort unsere Expertise einzubringen und gemeinsam konstruktive, praktikable und vor allem belastbare Konzepte zu erarbeiten, mit denen das Wohnraumproblem Schritt für Schritt aus der Welt geschafft werden kann.“