Caritas Hof:Arbeitsschwerpunkt Migration: „Räume für Begegnung schaffen“

Historische Gründe für hohen Migrationsanteil
Dass in Hof tatsächlich so viele Menschen mit Migrationshintergrund leben, hat vor allem historische Gründe. „Vor dem Mauerfall gab es hier eine florierende Textilindustrie, die mit Arbeitskräften versorgt werden musste. So kamen ab den 1970er Jahren vor allem Menschen aus Griechenland und Portugal hierher, um in den Fabriken zu arbeiten“, sagt Christian Nowak, Geschäftsführer des Caritasverbandes in Hof. Diese Bevölkerungsgruppe lebt zum Teil immer noch hier, ist sehr gut integriert und befindet sich mittlerweile im Ruhestand. Und die Textilindustrie? „Zwischenzeitlich verschwunden“, so Nowak. „Nach Asien und ins südliche bzw. südöstliche Europa.“ Stattdessen habe sich Hof zu einem beliebten Standort verschiedenster Logistikunternehmen gewandelt. „Die bieten vor allem ungelernten Kräften Arbeit und locken mit einem Mindestlohn von knapp 15 Euro.“ Wie sich das auf die Bevölkerung und den Arbeitsmarkt der Stadt auswirkt, dazu gleich mehr.
Fluchtwelle der 2010er Jahre mit Konfliktpotenzial
Dann kam die Fluchtwelle der 2010er Jahre. Die Folge: Heute leben auch in Hof, dort vor allem im Bahnhofsviertel, viele Menschen aus Syrien, Afghanistan und Nordafrika. Es gibt viele Konflikte, die oftmals sogar in Rassismus zwischen den Angehörigen der unterschiedlichen Herkunftsländer umschlagen. Vor diesem Hintergrund entschloss sich der Caritasverband Hof dazu, die Rahmenbedingungen für alle Menschen in Hof zu verbessern.
„Heute unterhalten wir verschiedene Integrationsprojekte“, erklärt Nowak. So ist Hof beispielsweise einer von bundesweit insgesamt 25 Standorten, die über einen Jugendmigrationsdienst (JMD) verfügen. Dahinter steckt eine Form der Quartiersarbeit mit und für junge Menschen, die sich speziell der Mitgestaltung gemeinsamer Aktivitäten bzw. dem Kennenlernen und Ausprobieren weiterer Beteiligungsmöglichkeiten widmet. Konkret heißt das: Wie lässt sich die Lebenssituation junger Menschen in Vierteln mit besonderem Entwicklungsbedarf verbessern, wie das konfliktfreie soziale Zusammenleben fördern und stärken?
Möglichkeiten für Begegnung schaffen
„Bei dieser Arbeit ist es extrem wichtig, Räume und Möglichkeiten für Begegnung zu schaffen“, erklärt Caroline Schilhabel. Die Sozialarbeiterin leitet den Hofer „JMD im Quartier“, wie es korrekt heißt. JMD steht für Jugendmigrationsdienst. Dazu müsse man allerdings die Bedarfe vor Ort kennen. „Was also wollen die Jugendlichen im Hofer Bahnhofsviertel wirklich“, führt Schilhabel weiter aus. Ob Urban-Gardening-Projekt, eine Fahrradwerkstatt, Workshops zum interreligiösen Dialog oder, wie neulich in Hof, eine Müllsammelaktion. „Über solche Initiativen und Aktionen tun die Menschen etwas sinnvolles, sie arbeiten zusammen und erzeugen aktiv Begegnung.“ Nicht nur zwischen den Jugendlichen mit Migrationshintergrund, sondern auch mit der einheimischen Bevölkerung, die eben nicht im Bahnhofsviertel lebt. „Begegnung ist ein Weg zur Kommunikation - und Kommunikation schafft Verständnis. Es ist ein Prozess, der Konflikte durch Teilhabe aus dem Weg räumt“, erklärt Schilhabel.
Bildung ist oberstes Ziel
Einen weiteren Arbeitsbereich in diesem Segment stellt der „Jugendmigrationsdienst der Caritas Hof“ dar. Er betreut Jugendliche und junge Erwachsene mit Migrationshintergrund im Alter von zwölf bis 27 Jahren. Sein Zuständigkeitsgebiet umfasst die Stadt- u. Landkreise Hof, Wunsiedel und Kulmbach. Ein besonderes Anliegen dieser Stelle ist es, die Integration in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zu fördern. Dazu arbeitet der Dienst eng mit Unternehmen vor Ort zusammen. „Wir haben hier am Stadtrand einen Autohändler, der händeringend Fachkräfte sucht“, erklärt Nowak. „Wir sind aufeinander zugegangen und haben dem Unternehmen vorgeschlagen, vier Jugendliche aus dem Bahnhofsviertel als Azubis einzustellen.“ Sie stammen durchweg aus arabischen Ländern, sind also Moslems. Heute absolvieren die Jugendlichen eine Lehre zum Kfz-Mechaniker, in der sie während er Arbeit dreimal am Tag den vom Chef eigens eingerichteten Gebetsraum nutzen.
„Mit dieser Vorgehensweise lösen wir gleich drei Probleme: Erstens, wir schaffen Begegnung, zweitens, wir kämpfen gemeinsam mit dem Autohändler gegen ein konkretes Problem, nämlich den Fachkräftemangel, und, drittens, wir bringen Jugendliche mit Migrationshintergrund in eine Ausbildung – das ist unser oberstes Ziel.“ Denn nach den Worten von Nowak gäbe es unter den jungen Menschen mit Migrationshintergrund immer noch zu viele, die lieber für einen zugegeben sehr attraktiven Mindestlohn bei einem Logistiker vor den Toren der Stadt Pakete in einen Lkw laden oder als Sortierer am Paketband stehen. „Das ist nach wie vor ein großes Problem. Aber es lässt sich lösen, wie wir am Beispiel des Autohändlers sehen“, sagt Nowak.
Umfangreiche Flucht- und Migrationsberatung
Zusätzlich zum „JMD im Quartier“ und zum „Jugendmigrationsdienst“ in Hof, Wunsiedel und Kulmbach bietet der Caritasverband Hof eine umfangreiche Flucht- und Migrationsberatung. Gerade für Betroffene, die sich nicht verständigen können, deswegen isoliert sind und das fremde Rechts- und Staatssystem nicht kennen, ist diese Beratungsstelle oftmals der letzte Ausweg. „Die Nachfrage nach Beratungsterminen ist gerade in diesem Bereich enorm“, sagt Nowak. Auch deshalb, weil die Migrationsberatung der Caritas in Hof in der Stadt und darüber hinaus einen so guten Ruf genieße, dass sie sich vor Anfragen kaum noch retten kann.
Es tut sich viel in Hof. Dazu trägt auch das vom Erzbistum Bamberg initiierte KITA-Projekt in der Gemeinde St. Marien, unweit des Bahnhofs, bei und über das auch das Magazin Leben berichtete. Charakteristisch für die Gemeinde: Der Anteil katholischer Kinder und Familien ist dort geradezu verschwindend gering. Und: Viele Menschen befinden sich in prekären Lebenssituationen. Dazu zählen etwa Geflüchtete, Alleinerziehende und Familien mit niedrigem Einkommen. Hinzu kommt: Es treffen Kulturen, Religionen und Hautfarben aufeinander. Und dennoch entschied sich die Gemeinde ganz bewusst dafür, genau hier eine katholische KITA zu errichten. „Ich sehe das als Kernaufgabe der katholischen Kirche und der Caritas, Brücken zu bauen, Versöhnung zu schaffen und dabei auch mutig neue Schritte zu gehen. Auch und erstrecht hier in Hof. Warum nicht in Form einer KITA, die in einem Brennpunktviertel Raum für Integration und Verständnis schafft“, fragt Nowak. Er sieht darin ein wertvolles Signal an die Menschen, das gerade hier in St. Marien dringend gebraucht werde.